Wiederentdeckung der Toll-like Rezeptoren in B-Lymphozyten

Die Entdeckung der Toll-like Rezeptoren hat unser Verständnis der molekularen Abläufe in der frühen Immunabwehr gegen Infektionserreger revolutioniert. Sie wurde 1995 mit einem Nobelpreis an Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard gekürt. Heute kennen wir neben dieser Gruppe von Mustererkennungsrezeptoren auch andere Klassen, die gemeinsam der Erkennung von molekularen Signaturen dienen, die als Gefahrensignale Infektions- und Inflammationsprozesse im Körper offenbaren, und die Resolution dieser Prozesse einleiten. Eine besondere Rolle spielen in diesem Kontext Antikörper, deren Spezifität für das pathogene Agens durch Neutralisierung, zelluläre Aufnahme und Komplementaktivierung nicht nur die rasche Elimination, sondern auch langfristig spezifischen Schutz garantiert.

 Diese Antikörper (Immunglobuline) sind die Effektormoleküle der B-Lymphozyten. In ihrer löslichen Form können sie die oben beschriebenen Wirkungen entfalten. Immuntherapien mit monoklonalen Antikörpern, die gegen Krankheits-spezifische Zielstrukturen gerichtet sind, nutzen dieses Prinzip. Hingegen machen membranständige Immunglobuline (B-Zell-Rezeptor) die Spezifität der einzelnen B-Zelle aus, und lösen als Folge der Bindung des spezifischen Antigens die Differenzierung zur Antikörper-sezernierenden oder Gedächtnis- (memory) Zelle aus.

 Entzündungsreaktionen im Rahmen von Infektions- und Autoimmunerkrankungen stellen auch heute noch bedrohliche und destruktive Prozesse dar, deren Therapie immer wieder neue Herausforderungen bietet. Erst in den letzten Jahren ist klar geworden, dass auch B-Lymphozyten TLR exprimieren, und über ihre Liganden aktiviert werden können. War es zunächst leicht einsichtig, dass die TLR-Aktivierung der benachbarten angeborenen Immunzellen die Sekretion von Zytokinen und Prostaglandinen reguliert, und dass die Zusammensetzung dieser Substanzen die B-Zellfunktion beeinflusst, bleibt es doch bis heute unklar, welche Bedeutung die B-Zellständigen TLR haben. Initiale Arbeiten zeigten, dass bestimmte B-Zellsubpopulationen, die zur angeborenen Immunantwort gerechnet werden, und Antikörper, die gegen Bakterien gerichtet sind, produzieren, besonders reaktiv gegenüber der Stimulation mit TLR Liganden sind. In Untersuchungen aus den letzten zwei Jahren wird jedoch zunehmend klarer, dass die Aktivierung von Mustererkennungsrezeptoren auch in der klassischen T-Zell-abhängigen follikulären B-Zelldifferenzierung ein bisher unbekanntes regulierendes Stellglied darstellt.

 Dieser Frage ist in der Vergangenheit nur unzureichend nachgegangen worden. Unterschiede in der TLR Expression zwischen Maus und Mensch sowie die vorwiegend intrazelluläre Lokalisation der TLR haben diese Arbeit zusätzlich erschwert.  Bislang ist daher nicht ausreichend definiert worden, a.) welche Voraussetzungen für eine Aktivierung der  Mustererkennungsrezeptoren in B-Zellen gegeben sein müssen, b.) ob TLR für die Unterscheidung von Fremd- und Selbstantigen wichtig sind, c.) ob die B-Zell-Aktivierung über TLR zu tolerogenen oder eher proinflammatorischen Immunreaktionen führt, und d.) inwieweit die Aktivierung der TLR in der B-Zelle den Verlauf von Erkrankungen, in denen B-Lymphozyten eine pathophysiologische Rolle spielen, beeinflussen können.

 Die in der Natur vorkommenden Antigene, wie z.B. Bakterien oder Viren, bestehen aus molekularen Komplexen aus Proteinen (die von B-Zellrezeptoren erkannt werden) und Liganden verschiedener Mustererkennungsrezeptoren, wie z.B. Nukleinsäuren. Es erscheint daher einleuchtend, dass das Zusammenwirken des B-Zell-Rezeptors mit den TLR für die Erkennung des Antigens und seine Einordnung als „potentiell gefährlich“ wichtig sein könnte. Das Ziel des hier vorgeschlagenen Symposiums soll es daher sein, durch die Diskussion kontroverser Beiträge, mit weltweit anerkannten Experten auf diesem Gebiet, neue Modelle zur Funktion der TLR in der B-Zellantwort zu erarbeiten. Die eingeladenen Vortragenden und Diskutanten stammen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen und vertreten divergierende Standpunkte. Das Zusammentreffen von Immunologen, Strukturbiologen, Biochemikern, Genetikern, Gastroenterologen, Hämatologen, Rheumatologen, Pharmakologen, Pädiatern, Mikrobiologen und Virologen, das in dieser Konstellation selten ist, verspricht eine intensive und spannende Diskussion. Anhand ausgewählter Beispiele sollen die Streitpunkte veranschaulicht werden:

 Ein umstrittener Sachverhalt ist beispielsweise die Frage, ob TLR Signale in der B-Zell-Reifung im Knochenmark eine Rolle spielen. Die existierenden Studien sind im murinen System durchgeführt worden, und zeigen Effekte einzelner TLR, des TLR-assoziierten TRIF-Signalwegs und des TLR-induzierten Typ I Interferons, oder aber keine Veränderung in MyD88-defizienten Mäusen (1). Neuere Befunde aus der Arbeitsgruppe von Herrn Prof. Eric Meffre sprechen jedoch dafür, dass im Menschen TLR Signale in der Selektion und Elimination autoreaktiver B-Zellen eine Funktion zukommen könnte (2).

Eine weitere wichtige Fragestellung ist, ob TLR lediglich Amplifikatoren der Antigen-spezifischen B-Zellantwort darstellen, oder ob sie die  Erkennung von Fremd- und Selbstantigen steuern. Auch hier widersprechen sich die vorhandenen Arbeiten. Frau Dr. Meyer-Bahlburg, beispielsweise, postuliert, dass TLR in der klassischen Vakzinierung für den Impferfolg keine Voraussetzung darstellen (3). Andere Publikationen zeigen wiederum, dass der TLR/MyD88 Signalweg in der follikulären Reifung der B-Zellen im Keimzentrum essentiell sein könnte (4, 5).

 Diskussionswürdig ist auch die Bedeutung der T-Zell-unabhängigen B-Zellantwort, bei der eine Rolle der TLR-Liganden sowohl als B-Zellrezeptor-Antigen als auch als TLR-Aktivator unumstritten ist (1). Es bleibt jedoch unklar, ob die auf diese Weise aktivierten B-Zellen eine effiziente Infektionsabwehr und eine Gedächtnisantwort hervorrufen können, und welche Rolle sie in Autoimmunerkrankungen übernehmen können. Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob mikrobielle Pathogene, wie z.B. Salmonellen, Staphylococcus aureus und Moraxella catarrhalis, die eine solche B-Zellaktivierung induzieren, diese zur Evasion der spezifischen Immunantwort nutzen können (6-8).

 Ein weiteres wichtiges Thema, zu dem es sehr widersprüchliche Daten gibt, ist die Rolle der TLR in der B-Zell-vermittelten Autoimmunität. Während Dr. Fillatreau die Meinung vertritt, dass die TLR Stimulation regulatorische B-Zellen induziert, die die Autoimmunität unterdrücken (9), und Prof. Meffre beobachtete, dass Patienten mit genetischen Defekten im TLR Signalweg eine erhöhte Frequenz an autoreaktiven B-Zellen aufweisen (2), zeigt Prof. Carsetti, dass TLR Aktivierung zur  Bildung von Autoantikörpern beitragen kann (10, 11). 

 Eine therapeutische Immunstimulation mit TLR-Agonisten kommt heute in der adjuvanten Tumortherapie zur Anwendung. Prof. Efremov und Dr. Jego zeigen allerdings, dass dies ein zweischneidiges Schwert ist, da die Aktivierung dieser Rezeptoren bei bestimmten Tumorentitäten auch das Überleben und die Expansion der Tumorzellen verbessern kann (12). Ebenso könnte eine Induktion regulatorischer B-Zellen durch die Suppression der anti-tumoralen Immunantwort kontraproduktiv wirken.

Zusammenfassend ist es einsichtig, dass diese Thematik aktuell ist, und eine ausgezeichnete Grundlage für den wissenschaftlichen Diskurs bietet.

 

Kontakt :
PD Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum
Department für Infektiologie, Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg
Tel:  +49 (0) 6221 56 38 898

 

E-Mail:  isabelle.bekeredjian-ding@med.uni-heidelberg.de     

 

Link: http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/PD-Dr-I-Bekeredjian-Ding.109263.0.html


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Letzte Änderung: 11.07.2012
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