Shifting Re-creations of European and Asian 'Others' in East Asian Schoolbooks

Die Besprechung und Klärung folgender Punkte sind die zentralen Anliegen des Symposions und sollen im Weiteren näher beschrieben bzw. ausgeführt werden:

Das Symposium soll Antworten geben auf die Frage: Wie sind das europäische und das asiatische „Andere“ in der staatlichen Geschichtsschulerziehung in Ostasien repräsentiert, und zwar unter dem Aspekt asymmetrischer kultureller „Flüsse“ von Ideen und Institutionen zwischen Europa und Asien, aber auch innerhalb Asiens?

Diese komplexe Frage gliedert sich in sechs Unterfragen, so dass die Komplexität bewältigt werden kann. Diese Unterfragen sind:
Wie werden „die Anderen“ definiert und bewertet im Rahmen der historischen Darstellung? Wie sind „Andere“ integriert bezüglich ihrer Repräsentation in der „nationalen Geschichte“? Welche Akteure sind in den Prozess der Definition des „Anderen“ und des „Eigenen“ involviert? Wer wird jeweils als „der Andere“ definiert? Welche Aspekte der „Anderen“ werden als modellhaft für die Entwicklung des eigenen Landes hervorgehoben? Inwiefern wird in aktuellen Schulbüchern auf eine „gemeinsame ostasiatische Geschichte“ hingewiesen?

Von ihren Disziplinen her vertreten die Symposiumsteilnehmer neben den Geschichtswissen­schaften (mit dem Schwerpunkt auf Moderner Geschichte und Zeitgeschichte) die Politische Wissenschaft, die Geschichtspädagogik, die Geschichtsdidaktik, teilweise auch die Geschichtsphilosophie, sowie die Kultursoziologie. Die in den Publikationen der Teilnehmer vertretenen kulturwissenschaft­lichen Herangehensweisen enthalten sowohl geistes­wissen­schaftliche als auch sozialwissen­schaftliche Ansätze. Die Zusammenführung dieser Ansätze ist Ziel des interdisziplinären Symposiums. Hinzu kommt, dass wir Praktiker, d.h. Schulbuch­autoren und Auswahl­kommissionsmitglieder, einbeziehen. Einige der Teilnehmer arbeiten auch selber in solchen Funktionen. In vielen Konferenzen werden leider die theoretischen und die praktischen Erkenntnisse nicht miteinander verbunden.
Neben der interdisziplinären Ausrichtung zeichnet sich dieses Symposium dadurch aus, dass hier Experten, die sich mit verschiedenen Ländern innerhalb Ostasiens beschäftigen, zu Wort kommen. Verschiedene regionalwissenschaftlichen Schwerpunkte sind hierbei Japan, China (mit Taiwan) und Südkorea, und auch auf Nordkorea wird eingegangen. Außerdem wird in den Referaten der Vergleich mit der schulischen Geschichts­erziehung in europäi­schen Ländern (Deutschland, Frankreich, Polen) sowie in den USA zur Sprache kommen.

Fragen der Repräsentation „des Anderen“ und konkret „der anderen“ Völker und historischen Persönlichkeiten im Geschichtsunterricht wurden in den letzten Jahren in Ostasien in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und politischer Debatten. Dies deutet einerseits darauf hin, dass sich die realiter immer häufigeren Interaktionen innerhalb Ostasiens nicht ohne Friktionen vollziehen. Das jeweilige nationalgeschichtlich gefärbte Geschichtsverständnis kann sogar einen latent oder offen artikulierten Neo-Nationalismus bestärken – und tut dies häufig auch. Daher ist die Untersuchung der Repräsentationen „des Anderen“ eine relevante Aufgabe. Andererseits ist zu beobachten, dass westliche Modelle der gesellschaftlich-ökonomischen Entwicklung von Gesellschaften, seien sie nun modernisierungstheoretischer oder marxistischer Provenienz, in Ostasien mehr als früher in Frage gestellt werden. Gerade diese Gesellschaftsmodelle sollten jedoch bisher im Geschichts- und im Gemeinschaftskunde-Unterricht in den Oberschulen Orientierung vermitteln. Aus diesem Grund sollte die Forschung der Frage nachgehen, welche Modelle heutzutage vermittelt werden. Hierzu liegen allerdings noch kaum Resultate vor. Mit Hilfe der Symposiumsbeiträge und der anschließenden Diskussi­o­nen soll über den bisherigen Forschungsstand hinausgehend geklärt werden, welche neuen Gesellschaftsmodelle in den Lehrbüchern der letzten Jahre den Schülern in Ostasien vermittelt werden.

In den diversen Beiträgen des jüngsten, repräsentativen Sammelbandes zur Thematik in Ostasien (Richter 2008) werden vier Bereiche erfasst: (1) der Kontext des historischen Revisionismus, (2) die akademische Geschichtsschreibung und das Geschichtsdenken, (3) Lehrbücher für den Geschichtsunterricht, und (4) die neuen Geschichtsinterpretationen in der Populärkultur. Es mangelt jedoch an eingehenden Untersuchungen zur Darstellung und auch Neu-Konstruktion „des Anderen“, liege dieses nun im Westen oder liege es in einem ostasiatischen Nachbarland. Iwasaki und Narita haben in „Writing History Textbooks in East Asia: The Possibilities and Pitfalls of ‚History That Opens the Future’“ (in Richter 2008) gezeigt, dass auch in dem Lehrbuch Mirai o hiraku rekishi. Higashi-Ajia sankoku no kin-gendai-shi (1. Aufl. 2005) (Geschichte mit einer offenen Zukunft. Moderne und Gegenwarts­geschichte der drei ostasiatischen Ländern Japan, China, Südkorea) nach wie vor National­geschichten erzählt werden. Auf den Zusammenhang zwischen Geschichts­erziehung und nationaler Identität in Ostasien haben Vickers und seine Mitarbeiter (Vickers u. Jones 2005) aufmerksam gemacht. Die Beiträge unseres Symposiums knüpfen vor allem hieran an.

Nachdem wir für die anfangs genannten sechs Unterfragen befriedigende Antworten erhalten haben, sollen diese Ergebnisse zusammengeführt werden. Nach der Klärung der Darstellung des „Anderen“ sollte eine Vernetzung der einzelnen Fragestellungen in folgender Form unternommen werden: Die Definitionen und  Wertungen „des Anderen“ in Schulbüchern werden mit den prozeduralen Aspekten – Akteure, Verfahren bei der Auswahl von einge­reichten Schulbuch-Manuskripten, Verbreitung in den Schulen, Offenheit gegenüber neuen Ansätzen einer transnationalen Betrachtungsweise der Geschichte – verknüpft. Nur so kann ein wissenschaftlich fundiertes Gesamtbild der Schulbuch-Problematik entstehen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Kontroversen über Geschichtsdarstellung und Interpretation historischer Vorgänge in Ostasien sind die angestrebten Erkenntnisse auch für Europa wichtig.

Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist geplant. Die finanzielle Unterstützung dafür erfolgt aus den Mitteln des Exzellenz-Clusters.

 


Kontakt:

Prof. Wolfgang Seifert

Institut für Japanologie, Universität Heidelberg, Zentrum für Ostasienwissenschaften

Akademiestraße 4-8

69117 Heidelberg

Tel. 06221 54 7661

seifert@zo.uni-heidelberg.de

 

 

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Letzte Änderung: 12.03.2009
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